Interressante Gedanken zur Züchtung der Honigbienen habe ich in dem empfehlenswerten Buch "The Hive and the Honeybee" gefunden. Im Kapitel "Management for Honey Production" legt Keith S. Delaplane den Imkern folgende Überlegungen zu Zucht und Honigproduktion nahe:
Keith S. Delaplane schreibt:
"Weitere Überlegungen zur Honigproduktion
Übergeordnetes Ziel der Honigproduktion ist es, eine große Zahl an Sammelbienen rechtzeitig für die großen Trachtflüsse zu schaffen. Das Schwarmmanagement steht an erster Stelle, aber es gibt auch andere Maßnahmen die zu diesem Ziel beitragen. Wenn der Imker an seinen Stöcken arbeitet, wird er auf einige treffen, die stärker sind als andere. Es lohnt sich immer zu fragen, warum eine bestimmte Kolonie schwach ist. Ist die Königin minderwertig? Wenn ja, sollte sie ersetzt werden. Gibt es eine Gesundheitsstörung? Wenn ja, dann sollte ihr nachgegangen werden. Sind die Honig- oder Pollenwaben leer? Wenn ja, verhungert das Bienenvolk und braucht Zuckersirup und eine Pollentracht. Gibt es einen ungeklärten Rückgang der Bienenmasse? Wenn ja, kann es eine Insektizidanwendung in der Umgebung gegeben haben. Sind die Brutwaben alt und schwarz? Wenn ja, sollte der Wabenbau erneuert werden - Untersuchungen haben gezeigt hat, dass alte Waben die Brutentwicklung negativ beeinflussen. Stehen die Beuten im Schatten oder sind sie direktem Wind ausgesetzt? Wenn ja, sollten sie, mit einem Windschutz versehen, an einen sonnigen Platz gestellt werden. Die wichtigsten Aufgaben des Imkers in einer erfolgreichen Honigproduktion sind: den Entwicklungsstand der Völker zu beobachten, Schwärmen zu verhindern, die Bienen gesund zu halten und für eine angemessene Versorgung mit Futter, Pollen und Wasser zu sorgen.
Zuchtauswahl
Es ist unumstritten, dass die moderne europäische Honigbiene von der jahrhundertelangen genetischen Auswahl durch den Menschen, wenn auch oft unabsichtlich, beeinflusst ist. Der Imker hat die Konsequenzen zu tragen wenn er sich entscheidet, eine Königin aus diesem Volk statt aus diesem zu vermehren, und zwar aus keinem anderen Grund, als dass ihm diese besser "gefällt". Was die meisten Imker mögen, ist kein Geheimnis. Es sind Eigenschaften wie Sanftheit, schneller Frühlingsaufbau, Krankheitsresistenz und Produktivität. Es gibt aber auch andere Merkmale, die vielleicht nicht so klare wirtschaftliche Vorteile haben, aber dennoch von den nordamerikanischen Imkern bevorzugt werden; vor allem die helle goldene Körperfarbe [USA: Ligustica] und eine geringe Neigung zum Sammeln von Propolis - ein aus Pflanzen gewonnenes Harz, das Bienen sammeln und auf Oberflächen im Bienenstock aufbringen und das einige Imker nicht so gerne sehen. Eine helle Körperfarbe scheint keinen ökonomischen Effekt zu haben, und geringes Propolissammeln ist eine spezifisch amerikanisches Ideal, das vermutlich in die falsche Richtung zielt und abgelegt werden sollte. Schließlich ist Propolis bekannt dafür, dass es chemische Anti-Pathogen-Verbindungen enthält und wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung von Krankheiten und Nisteindringlingen spielt. Obwohl ich vom langfristigen Einfluss des Menschen auf die genetischen Eigenschaften der Honigbiene weiss, gestaltet sich die gezielte Züchtung der Bienen nicht einfach. Die fantastischen Fortschritte, die Züchter in anderen Bereichen der Landwirtschaft erzielen, ich denke an Mais, Reis und die Holsteiner Milchkuh, blieben für die Honigbienen und Imker weitgehend unerreicht. Die Gründe hierfür liegen in der Biologie der Honigbienen.
(1) Bienenköniginnen paaren sich im Flug mit mehreren Männchen (ein Phänomen, das Polyandrie [Vielmännerei] genannt wird). Deshalb ist es für Züchter fast unmöglich, die Paarung vollständig zu kontrollieren, es sei denn, sie verwenden instrumentelle Besamungstechniken.
(2) Einige der neuesten Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Honigbienenvölker ihre Wechselwirkungen mit der Umwelt genetisch optimieren, nicht so sehr durch die Spezialisierung auf ein Merkmal auf Kolonieebene, sondern vielmehr durch die Erhöhung der Anzahl und Art spezialisierter Merkmale auf Kolonieebene. Es ist offensichtlich, dass diese beiden ersten Prinzipien zusammenhängen: Durch die Paarung mit mehreren Männchen, die Aufbewahrung ihres Spermas und die Produktion von Nachkommen gemischter Vaterschaft während ihres gesamten Lebens stellt eine Königin sicher, dass ihre Kolonie genügend genetische Vielfalt aufweist, um einer Vielzahl von Umweltherausforderungen zu begegnen. Man kann sich vorstellen, dass eine Kolonie zu jedem Zeitpunkt eine Drohnenfamilie für die Honigsuche, eine andere für die Thermoregulierung, wieder eine andere für die Resistenz gegen Brutbakterien hat und noch eine für die Resistenz gegen Varroamilben. Man kann sich eine hohe genetische Vielfalt innerhalb der Kolonie als eine Art Versicherungspolice gegen alle Lebensunstände vorstellen, die die Natur auferlegt. Außerdem sind viele Gene spezialisierter Merkmale für das Bienenvolk nur dann von Vorteil, wenn sie selten sind. Dies scheint zunächst unverständlich, bis man sich eine Kolonie vorstellt, die ausschließlich aus Arbeitern besteht, die auf das Merkmal X spezialisiert sind; eine solche Kolonie würde wahrscheinlich aus Mangel an anderen Merkmalsträgern nicht besonders vital sein. Die praktische Lösung für dieses Problem ist wiederum ein hoher Grad an Polyandrie.
Und schließlich (3): Wenn Züchter versuchen, bestimmte Merkmale auszuwählen und zu vermehren, hat es sich als schwierig erwiesen, die Selektions- und Bestandserhaltungsverfahren in einer Weise zu gestalten, die nachhaltig wirtschaftlich ist. Ein Beispiel dafür ist das wichtige Merkmal Hygieneverhalten, das Resistenz gegen Brutkrankheiten und Varroamilben verleiht. Das hygienische Verhalten wird durch eine relativ geringe Anzahl von rezessiven Genen gesteuert, und das Merkmal neigt dazu, bei fehlender Selektion und Paarungskontrolle durch den Züchter aus einer Population zu erodieren. Kurz gesagt: Die seltene und rezessive Eigenschaft vieler gezielter Merkmale bedeutet, dass der Züchter sie nur mit Mühe aufrechterhalten kann. Selten rechtfertigen die Marktbedingungen die Kosten derart aufwendiger Königinnenproduktion. Für die Bienenzüchtung bedeutet diese Erkenntnis eine neue Wertschätzung genetischer Vielfalt, ohne die Vorteile der Spezialisierung in den Erbanlagen zu vernachlässigen. Immer wenn ein Züchter ein Selektionskriterium verwendet, nach dem er einen Genbestand einem anderen vorzieht, ist dies gleichbedeutend mit einer zunehmenden Spezialisierung. Selektion ist nichts anderes als die Zunahme eines Satzes genetischer Merkmale auf Kosten eines anderen Merkmalssatzes. Erfolgt diese Selektion auf natürliche Weise , ist dies ein langsamer Prozess der in der erdgeschichtlichen Zeiträumen zu bemessen ist. Er erzeugt eine Art genetischen Ausgleichs, bei dem das formbare Genom der Art durch unterschiedliche, manchmal widersprüchliche, Selektionsdrücke geformt wird. Dies wird dennoch zur Ausprägung einer Art führen, die gut in ihre Umwelt passt. Wenn diese Auswahl in den Händen eines menschlichen Züchters geschieht, geschieht der Prozess schnell und der Züchter kann die unzähligen genetischen Merkmale, die er aufgrund seiner Konzentration auf wenige ausmerzt oder vernachlässigt, nicht alle erkennen, vorhersehen, fördern oder erhalten. Es hilft, sich daran zu erinnern, dass das Auswählen für etwas gleichbedeutend ist mit dem Auswählen gegen etwas anderes. Einige dieser anderen Dinge mögen wichtig sein, und von Menschen geführte Selektionsprogramme haben einfach nicht die selbstkorrigierenden Eigenschaften der natürlichen Selektion, bei der die Zeit die Ausprägung und Erhaltung optimaler Genkombinationen erlaubt. Die besten Zuchtprogramme sind diejenigen, die die Vorteile der genetischen Spezialisierung suchen, ohne die Vorteile der genetischen Vielfalt auszulöschen.
Ich werde nun Beispiele für einige der Züchtungsmodelle nennen, die in der amerikanischen Bienenzucht vorherrschen. Ein historischer Ansatz war das Inzucht-/Hybrid Verfahren, das zu den Midnite und Starline Linien führte, die vor Jahrzehnten von Dadant und Sons vermarktet wurden. Obwohl diese Linien nicht mehr erhältlich sind, haben sie die Selektion nach günstigen Eigenschaften, vor allem nach Honigproduktion und Sanftheit, stark beschleunigt. Ein zweiter Ansatz besteht darin, die Selektion auf ein oder mehrere erwünschte, vererbbare Merkmale zu konzentrieren und gleichzeitig die Inzuchtdefekte an den geschlechtsbestimmenden Allelen zu minimieren (ein akutes Problem bei haplo-diploiden Tieren wie Ameisen, Wespen und Bienen). Dieser Ansatz erreichte seinen Höhepunkt in einer Reihe von Veröffentlichungen von Robert Page und seinen Mitarbeitern in den 1980er Jahren, die das so genannte "Closed Population" Zuchtprogramm umrissen und später von Sue Cobey bei der Entwicklung ihrer "New World Carniolan" Linie verwendet wurden. Durch gezielte Selektion wurden Bienen herausgezüchtet, die bevorzugt Pollen und Honig sammeln und erkrankte oder parasitierte Bienenbrut selektiv entfernen, so genanntes Hygieneverhalten zeigen. Ein dritter Züchtungsansatz besteht darin, Populationen von Honigbienen die von Natur aus begehrte Merkmale besitzen, zu entdecken und zu importieren. Bestes Beispiel dafür ist das vom USDA-Bienenlabor in Baton Rouge, Louisiana, Ende der 90er Jahre initiierte und realisierte Bienenimportprogramm. Diese Bienen zeigen eine nachweisbare Resistenz gegen Varroamilben; nicht durch einen oder wenige spezifische Merkmale, sondern durch eine Reihe von interagierenden Eigenschaften, die mit der vergleichsweise langen Zusammenleben zwischen Biene und Parasit, über 100 Jahre, im fernen Osten Russlands, erklärbar sind. Züchter die auf bestimmte Merkmale auswählen möchten, sind gut beraten, die oben beschriebenen Prinzipien zu berücksichtigen und sollten Selektion in Zuchtverfahren durchführen, die das Inzuchtrisiko minimieren und den Nutzen der Polyandrie maximieren. Die Auswahl sollte auf objektiven Messungen auf der Ebene der Bienenvölker basieren, z.B. Varroamilbenzählungen auf klebrigen Bodenbrettern oder hygienisches Verhalten (Prozentsatz der gefriergetrockneten Brut, die von Bienen innerhalb von 24 Stunden entfernt wird), Honigertrag, Brutfläche oder Schätzung der Bienenmasse. Danach wird die Vermehrung in jeder Generation in einer vorbestimmten Gruppe von Bienenvölkern (Königinnen) mit hohen Gesamtleistungen durchgeführt. Ebenso wichtig ist es die Vorteile der Polyandrie zu nutzen um die Risiken der Inzucht zu meiden indem der Züchter die Anzahl und genetische Vielfalt der Drohnen, mit denen sich die Produktionsköniginnen paaren, maximiert. Hier spielen bekannte Praktiken wie Inselpaarung, Drohnensättigung und instrumentelle Besamung eine immer bedeutendere Rolle. Die Betonung von polyandrosen Königinnen ist nicht unvereinbar mit Zuchtprogrammen, die sich auf die traditionelle Selektion oder Erhaltung lokaler Bienenbiotypen konzentrieren - beides kann als Quelle von Drohnen mit seltenen Spezialallelen angesehen werden. Zum Beispiel könnte ein Züchter instrumentelle Techniken verwenden, um Königinnen mit Samen aus Drohnen verschiedener Linien zu besamen, von denen jede für einen speziellen Charakter ausgewählt wurde. Diese Technik ist gut entwickelt und wird seit langem als leistungsfähiges Werkzeug für die Züchtung der Honigbienen empfohlen."